Sado Maso & Sugar Daddys – Journalisten undercover
Das Deutsche Journalisten Kolleg sollte wissen was investigativer – oder neudeutsch: Undercover-Journalismus ist. Und auch ich glaube so ungefähr zu wissen, worum es in dieser Richtung meines Berufes geht. Doch das Deutsche Journalisten Kolleg geht noch weiter. Ich zitiere: „Typische Recherchefelder für Investigative Journalisten sind Informationen, Themen oder Probleme, die für die Öffentlichkeit oder auch für Teile davon von Bedeutung, bisher aber nicht bekannt geworden sind.“ Ok, diese Definition ist nur eine von vielen und wer der Namen Wallraff kennt, der weiß nun worum es geht. Stichwort Wallraff. Ich hatte das Vergnügen, den Kollegen vor längerer Zeit auf einem Dreh zu treffen. Damals hatte er in „Schwarz auf weiß“ als farbiger Migrant versucht in Deutschland einen Job zu bekommen. Ich mache es kurz: eine durchaus beeindruckende Person, der schon viel gesehen, aufgedeckt und erlebt hat. Vor kurzem dann sein „Comeback“ bei RTL. Er deckt die nicht ganz saubere Küche bei Burger King auf und zeigt in einer weiteren Folge wie Pflegedienste in Berlin systematisch Betrug begehen. Über die dramatische Musik unter den Beiträgen kann man streiten, aber der Inhalt war gut und so kann man investigativen Journalismus heute machen.
Gestern bin ich bei „Undercover Deutschland“ hängen geblieben
Klingt nach einem Wallraff-Ableger, aber warum nicht. Die Dame neben mir auf dem Sofa erzählte mir, dass sie das schonmal gesehen hat und es damals um ein heftiges Thema ging. Gut, also gehen wir undercover. Es sind zwei Themen, die die beiden Reporter aufdecken sollen und wollen. Der männliche Kollege geht dem Phänomen „Sugar Daddys“ auf den Grund. Ich frage mich zwar was diese Herren der Gesellschaft oder mir als Zuschauer böses tun, aber nun gut. Ich finde es interessant, dass es extra dafür eine Webseite gibt, auf der die Damen ganz einfach angeben können, dass sie einen Mann suchen, der ihnen einfach jeden Monat zwischen 2500 und 5000 Euro schenkt. Schließlich müssen sie ja shoppen gehen. Es kommt ein Arzt zu Wort, der dies tut und das obwohl er nur einmal mit der Damen geschlafen hat – er genießt halt die Anwesenheit einer schönen Frau. Ist meines Wissens nach nicht strafbar. Der Reporter schmeißt im weiteren Verlauf mit Geld um sich und während er teures Sushi bestellen will, zieht sich dann Kandidatin Nr. 2 spontan aus und präsentiert ihm ihre beiden besten Argumente. Der Reporter wendet die Situation ab, schließlich ist er verheiratet. Fazit: Die Damen lassen sich schöne Sachen schenken und setzen dafür ihren Körper ein. Moralisch vielleicht verwerflich, aber diese Diskussion sollen andere führen. Die andere Reporterin nimmt sich der Sado Maso Szene an. Aufhänger:
50 shades of grey
Die These: Das Buch macht SM populär und deswegen könnten viele junge Frauen in die SM-Szene geraten und da Sachen gegen ihren Willen machen müssen. Ich persönlich dachte immer darum geht es bei Sado Maso. (Bitte um Verzeihung – ich bin Laie) Die Frau besucht erst eine Dildo-Party und dort reden Hausfrauen sehr offen über SM in ihrem Sexleben (Wir merken: 1. Skandal). Danach besucht sie eine Sado Maso Party. Dort treffen sich Menschen, die gerne SM zelebrieren oder sich als Sklave an der Kette durch die Gegend führen lassen. „Unschuldige“ sind nicht auf der Party, schließlich ist die Party als eine SM-Veranstaltung offiziell deklariert. (Wir merken: 2. Skandal) Die Reporterin fühlt sich als vermeindliche SM-Anfängerin auf der Party nicht wohl. Verstehe ich.
Dann die ultimative Gefahr
Die Reporterin schaltet in einem SM-Portal eine Anzeige. Sie gibt sich als SM-Anfängerin aus und möchte erste Erlebnisse in der Szene sammeln. Sie bekommt 150 Zuschriften und trifft sich mit Männern. Dazu wird eine Wohnung angemietet, diese mit Kameras und Mikrofonen versehen und im Nebenraum wartet ein privater Sicherheitsdienst, der auf das Stichwort des Reporterin eingreifen kann. Technisch aufwändig und macht wie man bei Wallraffs Pflegedienst-Reportage sieht auch echt was her. Soweit so gut. Der männliche SM-Anhänger kommt wie bestellt in die Wohung und das Gespräch beginnt. Es soll eine Tabu-Liste aufgestellt werden, denn auch beim SM gibt es Grenzen. Klingt vernünftig. Ich gehe kurz ins Bad und als ich wiederkomme ist wieder ein Mann bei der Reporterin. Da zurecht alles weggepixelt ist, weiß ich nicht, ob es derselbe Mann ist. Spielt aber auch keine Rolle. Der Mann wählt eine rüde Sprache und befiehlt der Journalistin verschiedenes. Er tritt als Meister auf – sie als Sklavin. Genau so wie sie es in ihrem Fake-Profl angegeben hat. Als es der Reporterin zu viel wird (sie muss knien und soll das Kleid etwas hochschieben) wird es dem Mann zu bunt. Er wirft ein Kissen durch den Raum und ACHTUNG: geht nach Hause.
Versteht mich nicht falsch. Die Reporterin hat sich unwohl gefühlt und hatte Angst. Das glaube ich ihr. Im Text danach heißt es sinngemäß: Unsere Reporterin hat gezeigt, dass die SM-Szene für Anfängerinnen gefährlich werden kann. Sorry, liebe Kollegen: HAT SIE NICHT! Die Sehnsucht der heutigen Programmmacher nach Test-Beiträgen ist groß. Alles und jeder wird getestet. Ok – haben wir uns mit abgefunden. Undercover ist gerade schwer angesagt. Auch damit kann ich leben. Aber was hat diese Folge „Deutschland Undercover “ aufgedeckt? Es gibt ein SM-Szene? Stimmt. Es gibt Hausfrauen, die mit 62 Jahren gerne im Bett ihren Mann auspeitschen? Stimmt. Es gibt SM-Partys? (Google spuckt unter diesem Suchbegriff 121 Millionen Treffer aus). Scheint zu stimmen. Es gibt Männer, die es geil finden einer Frau Befehle zu erteilen und sich ganz offen in SM-Foren tummeln? Stimmt.
Aber was daran ist illegal?
Journalisten & Etikettenschwindel
Das ist das Stichwort was mir einfällt. Undercover ist gerade in Mode und daher klebt man gerne das Etikett auf viele Beiträge. Das gestern war eine nette Sendung. Wirklich. Technisch gut gemacht. Gute Protagonisten, gute Bilder (zumindest in dem Sugar-Daddy Fall). Aber Undercover war da nix. Verkleidet – ja das waren die Journalisten. Aber illegal oder skandalträchtig? Nicht in meine Augen. Interessant zumindest zu 50 %. (Der anschließende Undercover-SM-Talk mit Birgit Schrowange machte es nicht besser). Man sah der Sendung an, dass die Kollegen viel Herzblut und viel Arbeit in die Recherchen gesteckt haben. Aber am Ende bleibt es für mich dabei: Eine Fallhöhe zu konstruieren wo keine ist, macht wenig Sinn. Die Beiträge in einem anderen Rahmen hätten Sinn gemacht. Aber investigativ/undercover war das nicht. Anscheinend bin ich mit dieser Meinung nicht ganz alleine – zumindest sagen das auch die allmächtigen Quoten
Ein Wunsch zum Schluss:
Undercover-Formate: Ja, gerne – aber dann auch bitte investigativ und zwar richtig.