Zeitung 2014 – Teil 1: ein lokalisiertes Problem
Ich beginne mit einem Geständnis. Ich habe schon seit Jahren keine klassische Tageszeitung abonniert. Liegt vor allem daran, dass ich jahrelang in der Redaktion gefrühstückt habe und da einen Blick in die meisten Zeitungen Nordrhein-Westfalens werfen konnte. Unsere Nachbarn haben mir über Pfingsten ihre Ausgabe der Zeitung überlassen und so habe ich seit langem mal wieder eine Stunde mit einer klassischen Printausgabe in der Hand verbracht…
Ich war in Leselaune. So richtig mit Druckerschwärze an den Fingern, Papiergeraschel und Freizeit über Pfingsten. Aus einer Laune heraus hatte ich mir noch eine zweite Zeitung besorgt. Also bitte einmal Ruhrgebiet und einmal Münster klassisch aus der Zeitung heraus erleben.
Ich blättere in der Zeitung
und bin irgendwie enttäuscht. Die Hälfte der Münsteraner Ausgabe sortiere ich sofort aus, denn ich habe heute keine Lust auf Reisespecial, Immobilienbeilage (Münster ist teuer – dafür brauche ich keine Beilage) und den Auto-Ratgeber. Der Mantelteil kommt mir irgendwie bekannt vor und es stellt sich heraus, dass dieser zu mehr als 90 Prozent aus zusammengestellten Agenturmeldungen besteht. Das ist wahrscheinlich auch ok so, denn die wenigsten verfolgen wie ich Agenturen und Nachrichten aus beruflichen Gründen. Ich blättere weiter und bin gespannt, denn auch ich habe ein paar Jahre Zeitungserfahrung und will wissen was es so neues gibt. (Damals bekamen die Lokalteile in den Zeitungen auch Fotos in Farbe und wir freuten uns wie bolle darüber) Ich komme zu den Lokalteilen und davon haben die Ruhrnachrichten als einzig verblieben Tageszeitung am Ort so einige zu bieten. Die Westfälische Rundschau mit eigenen Inhalten gibt es in Dortmund nicht mehr. Ich erreiche in der Zeitung meinen Lokalteil und bin erschlagen von so viel Innovation. Ich habe 2007 Zeitung gemacht und das was ich jetzt 7 Jahre später lese wurde genau so vor sieben Jahren schon gedruckt. Beispiel gefällig? Rechts einspaltig eine Polizeimeldung, links 70 Zeilen über die Pfingstkirmes, darunter das Treffen der Frauengruppe und die Vorstellung eines Bildbandes in einer Buchhandlung. (Beides mit unfassbaren Fotos versehen) Der Leitartikel verspricht mir Schwung beim nächsten Dorffest und darunter lächeln mich Kinder und Polizisten an. Sie hatten anscheinend einen schönen Tag auf der Wache in Dortmund-Hörde.
Versteht mich bitte nicht falsch – ich kenne das Lokalzeitungsgeschäft und weiß das gerade kleine Termine manchmal undankbar sind. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass sich in der Berichterstattung in sieben Jahren nichts verändert hat.
Es fehlt Qualität
Ich bin leider ein visueller Mensch. Ich freue mich über schöne Bilder und Fotos und selbst wenn die Fotos nicht ganz gelungen sind, freue ich mich manchmal über die Idee des Fotografen.
Geht man nach den Fotos, dann mache ich mir wirklich sorgen um meinen Stadtteil. Die Vereinsgemeinschaft Wellinghofen lacht mich auf einem vierspaltigen Bild an und hält beim schaukeln noch die Plakate zum Dorffest in die Kamera. (Sie könnten damit bestimmt zu Wetten dass… gehen). Die Frauengruppe und der Autor des Bildbandes haben schon seit Kriegsende nicht mehr gelacht und von dem bestimmt auch bildlich netten Polizeibesuch kann ich nur träumen. Gestellte Gruppenbilder sind 2014 anscheinend wieder „In“. Vor sieben Jahren waren sie verboten, aber Zeiten ändern sich. Oder auch nicht. Versteht mich nicht falsch, ich will keine künstliche Jugendsprache in einem Lokalteil der auch von Oma und Opa gelesen wird. Aber ich glaube fest daran, dass auch diese beiden älteren Herrschaften nicht folgenden Satz sagen oder schreiben würden: „Schirmherrin des Festes ist Bürgermeisterin Birgit Jörder, die die Sause auch (…) eröffnen wird.“
Ach ja die gute alte Sause – ich muss gleich mal nachsehen ob dieses Wort im großartigen Werk von Claus Sprick steht.
Bevor jetzt jemand fragt, ob denn die Zeitung aus Münster diesen Eindruck revidiert hat – Nein hat sie nicht.
Wie muss Zeitung 2014 sein?
Die erste Antwort ist einfach: So nicht. Die zweite Antwort ist schwierig: Ganz ehrlich – ich weiß es nicht. Menschen die Plakate halten, auf Stadtpläne zeigen und Damen beim Kaffeetrinken sind glaube ich nicht die Lösung. Ich behaupte es ist mehr los in meinem Stadtteil. Leerstand, Strukturwandel rund um den Phönixsee etc. Wer weiß vielleicht hatte ich einfach Pech mit meiner Ausgabe der Zeitung aber ich befürchte das dies nicht der Fall ist. Ach ja: Ich bin kein Freund von Gruppenbildern, sagte ich ja schon. Trotzdem möchte ich dieses Bild mit entsprechener Unterzeile Euch nicht vorenthalten.
Doch ich habe in der gleichen Zeitung auch Ansätze gesehen wie es gehen kann.
Dazu mehr im zweiten Teil
To be continued…