Jägerschnitzel und eine chemische Reinigung
Es ist einer dieser Tage. Ein gutes Seminar bei Maik Meid zum Thema Blogs für Non-Profits besucht. Interessante Gespräche mit den Gastgebern von action medeor geführt, gesund gefrühstückt und dann die Mittagszeit.
„Gehen wir noch was essen?“
Klar gehen wir. Gut, wir sind in der schönen Stadt Tönisvorst – genauer gesagt im Stadtteil Vorst. Soviel Zeit muss sein.
Wir ziehen also zu dritt los und stellen schnell fest, dass die Rushhour wohl in den angrenzenden Gemeinden stattfindet. Wir finden eine geschlossene Pizzeria, einen Dönerladen der gerade anscheinend renoviert wird und einen insolventen Sushi Laden, der es anscheinend nicht geschafft hat die Tönisvorster vom Angebot der rohen asiatischen Küche zu überzeugen.
Doch dann sehen wir sie – und jedes Ruhrgebietskind weiß es muss sie geben – die gute alte Pommesbude:
Sie ist genauso wie sie sein muss. Liebevoll eingerahmt von der klassischen lebensgroßen Kochfigur und einer Mülltonne.
„Daumen hoch“, denken wir.
und folgen dem Rat des Kochs und betreten das Innere. Wir sind die einzigen Gäste, es riecht nach leicht angeschmorrten halben Hähnchen und einer Mischung aus Reinigungsmitteln und anderen undefinierbaren Dingen.
Kurzum: Eine richtige Frittenranch mitten im beschaulichen Tönisvorst. Und auch der Blick auf die Karte birgt keine Überraschungen. Es gibt alle Klassiker von Reibekuchen über Pommes bis hin zu einer Tageskarte, die ich allerdings trotz intensiver Recherche nicht erblicke. Die Betreibercrew ist mit drei Personen vollständig an Deck und wartet nur darauf den Kochlöffel zu schwingen. Wir geben unsere Bestellungen auf. Meine Begleiter entscheiden sich für die klassische Currywurst und ein Cordon Bleu. Ich überlege lange und entscheide mich dann für einen DER Klassiker der deutschen Imbissbudentradition:
Jägerschnitzel mit Pommes
Ich bin sehr zurfrieden mit meiner Wahl, schließlich glaube ich ziemlich genau zu wissen was ich bekomme. Ist auch nicht schwer herauszufinden, da auf der Karte neben dem Begriff Jägerschnitzel die Zusatzstoffe 2, 5, 6, 7 & 10 vermerkt sind.
Ein Traum von einem Schnitzel
Ich rechne also mit der klassischen „frischen“ Jägersoße und dazu leckere Pommes. Und mein Traum wird erfüllt:
Bevor ich loslege halte ich kurz inne und nehme die Atmosphäre in mich auf. Ich lasse den Blick schweifen. An den Wänden hängen jede Menge Bilder der regionalen Fußballgrößen, doch mein Blick bleibt an einem Rahmen hängen, der mit dem Wort „Urkunde“ versehen ist.
Ich bin neugierig und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht. Dem Text entnehme ich, dass die Betreiber sich sozial engagieren und in der Vergangenheit für die action medeor gesammelt haben. Dabei waren sie erfolgreich und kreativ zugleich, denn ihre damalige Aktion brachte mehrere hundert Euro ein und trug den schönen Namen „Pipi für Haiti“.
Die Örtlichkeiten des Lokals gegen eine Spende zur Verfügung zu stellen ist in meinen Augen ein viel zu wenig geschätztes Unternehmensmodell. Es geht um die gute Sache und da ist eben viel erlaubt.
Gut so.
Nach diesem Erlebnis greife ich zu Messer und Gabel, im Radio spielen die Kollegen der Welle Niederrhein Every breath you take. Perfekt. Perfekt ist im Frittenbuden-Universum auch die Mahlzeit. Die Jägersoße hat die Konsistenz von Altöl, die Stückchen darin sind glaube ich Pilze (wobei ich das nicht mit Sicherheit sagen kann), das Schnitzel kommt klassisch aus der Fritteuse und ist von außen schön braun. Das kann mein Gegenüber auch sagen, was allerdings nicht bedeutet, dass die käseähnliche Substanz im Inneren geschmolzen ist. Zusammen mit meinem Malzbier bringe ich die Mahlzeit also routinemäßig hinter mich. Bei einem Blick auf die ausliegende laminierte Speisekarte kommt kurz der Gedanke auf wie denn die Reibekuchen wohl geschmeckt hätten…
VIPs im Anmarsch
Wir zahlen – flotte 9,70 € für das Schnitzel mit Pommes. Gut – ein frisches Stück Fleisch direkt vom Bauern nebenan hat eben seinen Preis. Kurz bevor wir rausgehen fällt mein Blick dann noch auf dieses Phänomen in der ansonsten leeren Imbissbude: Da haben wir die Tönisvorster Prominenz wohl gerade verpasst.
Essen brauchte ich übrigens den restlichen Tag nichts mehr und auch heute morgen stellt sich noch kein richtiges Hungergefühl bei mir ein. Ich sage mal:
Das Mittagessen war jeden Cent wert.
Meine Klamotten gehen jetzt erstmal in die chemische Reinigung – ich glaube anders werd ich die Erinnerungen an das Mittagessen nicht mehr los und das war in jeder Beziehung ein echtes Erlebnis.
Ich sag mal: Wir sehen uns an der Theke.